Hasnain Kazim liest an der Gesamtschule Globus am Dellplatz aus seinem neuesten Buch
Der aus den Medien bekannte Autor und ehemalige Spiegel-Reporter Hasnain Kazim stellte Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangstufen 10 und 12 im Rahmen einer Lesung sein neuestes Buch „Auf sie mit Gebrüll“ vor und ermunterte seine Zuhörer zu couragierter Teilnahme am öffentlichen Diskurs.
„Salam aleikum“. Mit diesem Gruß brach Kazim gleich zu Beginn seines Vortrags das Eis und seine Zuhörer, deren Eltern aus mehr als zwei Dutzend Ländern rund um den Globus stammen, dankten es ihm mit Interesse und Aufmerksamkeit.
Aber vordergründige Effekte sind Kazims Sache nicht. Wirklich fesseln konnte der aus Oldenburg gebürtige Journalist sein Publikum mit ehrlichen Einblicken in seine Biografie. In Deutschland als Sohn pakistanisch-indischer Eltern geboren und in einem kleinen niedersächsischen Dorf aufgewachsen wurde ihm schon früh durch gehässige Kommentare seiner Mitschüler („Du bist braun wie Sch…“) seine Außenseiterrolle bewusst gemacht. Da Kinder aber nach Kazims Beobachtung grausam-ehrlich sind und andere Mitschüler wegen abstehender Ohren und schiefer Zähne gehänselt wurden, sah Kazim in diesen Beleidigungen, obwohl emotional betroffen, noch keine Anzeichen von echtem Rassismus.
Erst die Brandanschläge von Mölln und Rostock auf zugewanderte Menschen und die gleichgültige Untätigkeit der umstehenden Menge alarmierten Kazim und schärften seinen Widerstandsgeist. Schon als Schüler nahm er mutig Stellung gegen eine zunehmend feindselige und aggressive Stimmung gegenüber Zuwanderern und Geflüchteten. Das brachte ihm noch in der Zeit vor Einführung des Internets die ersten physischen Hassbriefe ein. Eine Lehrerin ermutigte ihn, sich nicht einschüchtern zu lassen, ein Ratschlag, der nicht leicht zu befolgen ist, aber Kazim als Leitmotiv für seine weitere berufliche Entwicklung diente.
Als Journalist machte er Karriere beim renommierten Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und engagierte sich fortan professionell gegen den expandierenden Ausländerhass in Deutschland, der in den Verbrechen des so genannten „NSU“ einen vorläufigen Höhepunkt fand. Die Auseinandersetzung mit dem zunehmend organisierten und zu allem entschlossenen Extremismus schulte Kazims politisches Bewusstsein. Gerade solche Ereignisse, berichtete er den Schülern, motivierten ihn, Stellung zu nehmen und Haltung zu zeigen.
Weitere Stationen, von denen Kazim den Schülern berichtete, waren u.a. Pakistan und die Türkei, wo er sich kritisch mit der Politik Erdogans auseinandersetzte.
Hassmails bis hin zu Morddrohungen gehören inzwischen zum Alltag Kazims. Dass er sich trotzdem nicht mundtot machen lässt und weiterhin seine kritische Stimme öffentlich erhebt, verleiht seinen Aussagen eine besondere Glaubwürdigkeit. Dieser Mut, mit dem Kazim seinen politischen Kampf gegen Vorurteile, Engstirnigkeit und Rassismus untermauert, beeindruckte die Schülerinnen und Schüler spürbar und so entstand während der Lesung eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit.
Freilich reiften beim Autor auch Überlegungen, wie man mit dumpfem Hass und Unverstand umgehen kann. Und so entschloss sich Kazim, auf öffentliche Beleidigungen, soweit sie nicht anonym vorgebracht waren, zu antworten. Seine Methode: Mit scharfer Zunge und intelligenter Ironie führt er die Attacken seiner Widersacher ad absurdum und zuweilen gelingt es ihm dadurch, den einen oder anderen Angreifer, der sich in Ton und Sache vergriffen hat, von der Unsäglichkeit seiner Vorwürfe zu überzeugen. Zur großen Freude seiner Zuhörer zitierte Kazim im Laufe seines Vortrags einige mit Humor gewürzte Dialoge mit seinen Widersachern, die er teilweise in seinem Buch „Email von Karl-Heinz“ veröffentlicht hat.
Dass es Kazim über anderthalb Stunden lang gelang, seine Zuhörer zu fesseln, lag aber nicht nur an seinem Humor. Viele Schülerinnen und Schüler konnten sich leicht mit Kazim identifizieren, da sie ähnliche Erfahrungen mit alltäglichen Diskriminierungen gemacht haben. Auf Bitte von Nehir Basaran, dem Sozialpädagogen in der Abteilung II, der auch die Kontakte zu Hasnain Kazim hergestellt hatte, erhoben sich die Schüler, die schon einmal selber Begegnungen mit ausländerfeindlichem Verhalten in der Öffentlichkeit hatten. Überschlägig gut die Hälfte der Anwesenden stand auf: Ein eindrucksvolles Bild, das nochmals zeigte, wie notwendig die öffentliche Auseinandersetzung mit Hass, Vorurteil und Rassismus ist.
Auf der Basis ähnlicher Lebenserfahrungen ergab sich im Anschluss an die eigentliche Lesung eine lebhafte Aussprache, die von spannenden Schülerbeiträgen belebt wurde. So berichtete eine Schülerin über die schrecklichen Verfolgungen von Menschen jesidischen Glaubens, eine andere wies auf die Lebenspraxis der so genannte Sandwich-Menschen hin, die oft mit doppelten Vorurteilen zu kämpfen haben, weil sie sowohl von der Mehrheitsgesellschaft Ablehnung erfahren, aber auch im Kreise der „eigenen Community“ unter dem Verdacht stehen, trotz äußerer Unterschiede (Hautfarbe) innendrin ja schon assimiliert zu sein und die Verhaltensweisen der Mehrheitsgesellschaft längst angenommen zu haben.
„Macht den Mund auf! Wehrt euch, schaut nicht weg!“, lautete dann der Ratschlag von Hasnain Kazim an all seine jugendlichen Zuhörer. Dass aller Schwierigkeiten zum Trotz ein erfülltes Leben und eine erfolgreiche Karriere auch für Menschen mit so genanntem Migrationshintergrund in Deutschland möglich sind, auch dafür steht unser Gast Hasnain Kazim mit seinen erfolgreichen Büchern, seiner Medienpräsenz und seinen zahlreichen Auszeichnungen als eindrucksvolles Beispiel.
Motto einer gelungenen Veranstaltung: „Auf sie mit Gebrüll…“ (Titel von Kazims letztem Buch), aber nicht mit Gewalt, sondern mit Mut, Witz und guten Argumenten.
Text: Ingo Grau